Hypothesenprüfung anhand von Lemken

Für das Unternehmen Lemken waren die hohen Kosten am deutschen Produktionsstandort und der stark wachsende russische Markt die Gründe einen Teil ihrer Produktion ins Ausland zu verlagern. Die Standortfaktoren, die damals für eine Verlagerung an den Standort Kaliningrad sprachen, waren zum Einen, dass der Standort Kaliningrad Sonderwirtschaftszone werden sollte und somit große Steuervorteile an diesem Standort entstehen würden. Zusätzlich ging man davon aus, dass durch die deutsche Vergangenheit von Kaliningrad die kulturellen Unterschiede nicht zu groß sein würden. Des Weiteren bewertete man am Standort Kaliningrad die Transportwege als gut.

Ein weiterer wichtiger Grund war die kostengünstige Verfügbarkeit von Stahl. Schließlich sprachen noch die Personalkosten für den Standort Kaliningrad. Probleme, die während der Auslandsproduktion auftraten, waren das fehlende Qualitätsbewusstsein der russischen Arbeiter, ein großer Managementaufwand, Kommunikationsprobleme, Transportprobleme, staatliche Willkür und die Nichtverfügbarkeit von Betriebsstoffen. Es stellt sich nun die Frage, ob sich entscheidende Standortfaktoren im Laufe der Zeit in Relation zum deutschen Standort verschlechtert haben oder ob nicht eben diese Standortfaktoren im Vorfeld der Verlagerung falsch eingeschätzt worden sind bzw. zu wenige Informationen über den Standort Kaliningrad im Vorfeld der zur Entscheidungsfindung einbezogen wurden. Es spricht vieles dafür, dass die Rückverlagerung von Lemken seinen Ursprung in einem mangelhaften Entscheidungsprozess hat und es scheint tatsächlich so zu sein, dass relevante Standortfaktoren teilweise falsch eingeschätzt wurden. Es ist nicht komplett zu klären, ob sich einzelne Standortfaktoren verschlechtert haben. Die Summe der Probleme am ausländischen Standort ist aber eher ein Beleg, dass einige entscheidende Faktoren einfach falsch bewertet wurden. Der Anstieg der Betriebsstoffpreise insbesondere von Stahl ist ein Anzeichen dafür, dass im Vorfeld nicht beachtet wurde, dass die Verfügbarkeit von Stahl schwer eingeschränkt war. Ob man bei allen Standortfaktoren die wahre Ausprägung bzw. ihre Entwicklung im Vorfeld hätte abschätzen können, lässt sich nicht klären.

Die zuvor angenommen kulturellen Ähnlichkeiten des Standorts Kaliningrad wurden wohl genauso falsch eingeschätzt, wie die Transportsituation. Es scheint so, als ob eine zu große Gewichtung auf angebliche Kostenersparnisse gelegt worden ist. Viele entstehenden Kosten wurden im Vorfeld nicht erkannt, wie z.b. Kosten wegen Qualitätsmängel, sowie das große Ausmaß an Managementbindung und die Mitarbeiterentsendungen nach Kaliningrad. Genauso wenig wurde die politische Situation damals im Vorfeld richtig eingeschätzt, wie man am Beispiel des verschwundenen Geldbetrages vom Konto des Unternehmens erkennen kann. Zur Entscheidungsfindung über die damalige Standortwahl wurde zwar eine Besichtigung vor Ort durchgeführt, jedoch zeigt es sich, dass diese für eine Standortwahl nicht ausreichend war. Der Besuch des Mitgliedes der russischen Regierung weist zusätzlich darauf hin, dass man sich bei der Standortwahl beeinflussen lassen hat. Der Fall des Unternehmens Lemken deutet aus den genannten Gründen stark auf die Bestätigung der zweiten Hypothese hin.