Theorien der internationalen Arbeitsteilung

Theorien der internationalen Arbeitsteilung beschäftigen sich mit der Frage, welche Güter ein Land importiert bzw. exportiert. Die internationale Arbeitsteilung ist von den jeweiligen komparativen Kostenvorteilen eines Landes abhängig (vgl. SOHNS 1976: 1ff.). Besitzt ein Land komparative Kostenvorteile für ein Gut, wird es dieses Gut produzieren und dann exportieren. Diese komparative Vorteile drücken sich dadurch aus, dass in diesem Land ein bestimmtes Gut mit niedrigeren Kosten produziert werden kann. Somit stellen diese Vorteile Standortvorteile dar.

Ein bestimmtes Gut ist in einem Land billiger als in einem anderen. Dadurch hat das Land einen Preisvorteil gegenüber einem anderen. Weisen Standorte unterschiedliche Vorteile auf, kann dies zu Faktorenwanderungen kommen. Die Produktionsfaktoren werden dann an den Standorten eingesetzt, an denen sie den größten Beitrag zur Zielerei­chung eines Unternehmens liefern (vgl. SIEBERT 2000: 27). Für die Preisunterschiede in verschiedenen Ländern lassen sich mehrere Erklärungen heranziehen. RICARDO (1821) führt relative Preisvorteile auf komparative Kostenvorteile in der Produktion zurück. Diese Kostenvorteile lassen sich mit Unterschieden in der Produktivität des Faktors Arbeit erklären. HECKSCHER (1919) und OHLIN (1939) erklären diese Kostenvorteile mit den unterschiedlichen Ausstattungen von Produktionsfaktoren einzelner Länder, vor allem von Arbeit und Kapital. Das Heckscher-Ohlin-Theorem sagt aus, dass die Produkte und damit Exporte eines Landes anhand Faktoren gefertigt werden, die relativ reichlich vorhanden sind. Demnach werden diejenigen Güter importiert, für deren Produktion relativ knappe und somit teure Produktionsfaktoren nötig sind (vgl. DICK 1981: 21).

Bietet ein ausländischer Standort komparative Kostenvorteile aufgrund seiner Faktorausstattung für die Fertigung der Produkte eines Unternehmens, wird dieses Unternehmen Kapazitäten an diesen ausländischen Standort verlagern. Verändern sich diese komparativen Kostenvorteile zugunsten des Heimatstandortes des Unterneh­mens, kommt es zu einer Rückverlagerung an den heimischen Standort. Somit bieten die verschiedene Faktorenausstattungen eine Erklärung von Auslandsverlagerungen und Rückverlagerungen. Jedoch brachte eine Überprüfung des Außenhandels der USA durch LEONTIEF (1953) ein entgegengesetztes Ergebnis als es das Heckscher-Ohlin-Theorem liefert. Es zeig­te sich, dass die USA vor allem arbeitsintensive nicht kapitalintensive, wie man nach dem Heckscher-Ohlin-Theorem erwarten würde, exportierte. Dieser Zusammenhang wird „Leontief-Paradoxon“ genannt (vgl. DICK 1981: 22). In der „klassischen“ internationalen Arbeitsteilung exportierten Entwicklungsländer Rohstoffe und die Industrieländer Fertigwaren (vgl. LÜCKE 1992: 4). Ungefähr ab den Sechziger Jahren entwickelte sich dann die „Neue Internationale Arbeitsteilung“. Der größte komparative Kostenvorteil der Entwicklungsländer stellte die große Anzahl billiger Arbeitskräfte dar. Erstmals exportierten Entwicklungsländer Industriegüter (vgl. LÜCKE 1992: 4; vgl. FRÖBEL/HEINRICHS/KREYE 1977: 24). Wie bereits erwähnt, kam Anfang der Achtziger Jahre in der Literatur die Meinung auf, dass auf­grund des technologischen Fortschritts in den Industrieländern es zu verstärkten Rückverlagerungen aus den Entwicklungsländer in die Industrieländer kommt. Ein einfaches Heckscher-Ohlin-Modell zeigt, dass es in einer Zwei-Länder-Welt, in der das Entwicklungsland mit dem Produktionsfaktor Arbeit und das Industrieland mit dem Produktionsfaktor Kapital relativ besser ausgestattet ist und in der es beim In­dustrieland zu technischen Fortschritten bei der Produktion eines Gutes unter der strengen Voraussetzung, dass Technologietransfer nicht stattfindet, es tendenziell zu Rückverlagerungen aus den Entwicklungsländer kommen kann.[6]

Eine weitere wichtige Grundannahme in diesem Modell ist, dass die Produktionsfaktoren zwischen beiden Ländern immobil sind. Dass diese Grundannahme mit der Realität nicht viel gemeinsam hat, zeigt die Tatsache, dass viele Einwanderer aus armen Ländern in die reichen Industrieländer kommen, um dort Arbeit zu finden (vgl. LÜCKE 1992: 30ff.). Eine weiterer Ansatz, der versucht Rückverlagerung von arbeitsintensiver Produktion aufgrund des technologischen Fortschritts zu erklären, ist das auf VERNON (1966) zurückgehende Produktzyklusmodell. Alle Produkte durchlaufen demnach drei Pha­sen. Zum Einen ist das die Frühphase, woraufhin die Wachstumsphase folgt und schließlich mit der Reifephase der Zyklus abgeschlossen wird. Hierbei wird von ei­ner ständig zunehmenden Standardisierung der Produkte und deren Herstellungsphasen ausgegangen. Industrieländer haben bei der Entwicklung und Herstellung neuer Produkte, die sich in der Wachstumsphase bzw. Frühphase befinden, gegenüber den Entwicklungsländer komparative Vorteile. Diese Vorteile bestehen aufgrund der guten Ausstattung an wissenschaftlichen Einrichtungen und anhand von organisatorische und technischen Erfahrungen. Bei den Entwicklungsländern liegen die Vorteile bei der Produktion von Produkten, die einen hohen Standardisierungsgrad aufweisen und sich in der Reifephase befinden (vgl. DICK: 25f.). Aufgrund der sich verringerten Nachfrage von Produkten in der Reifephase werden Neuerungen bei den Produkten benötigt. Für diese Neurungen werden Technologien benötigt, die nur in den Indust­rieländern zu finden sind. Damit kommt es zu Rückverlagerungen in die Industrieländer. So schätzt PILLER (1998: 91), dass es aufgrund der wachsende Bedeutung der Nachfrage von individuellen Produkten und der damit verbundenen individuellen Massenproduktionen in den folgenden Jahren verstärkt zu Rückverlagerungen aus Billiglohnländer, in denen standardisierte Produkte gefertigt werden, wieder in die Industrieländer kommen wird, da diese optimalerweise in Kundennähe produziert werden sollten.

Ein weiteres Konzept zur Erklärung von Rückverlagerung stellt das Konzept der technologischen Lücke nach KRUGMAN (1985) dar. Demnach werden viele Güter anhand eines Produktionsfaktors produziert, wobei die einzelnen Industrien bei der Produktion unterschiedliche Fortschrittsraten aufweisen. Es existiert ein technologisch führendes Land und die restlichen Länder können den jeweiligen Technologie­standard des führenden Landes nach einer gewissen Anzahl von Jahren erreichen. Somit besitzt das führende Land einen komparativen Vorteil gegenüber den übrigen Ländern in denjenigen Industrien mit dem schnellsten technologischen Fortschritt. Analog hängen die komparativen Vorteile der anderen Länder von der jeweiligen technologischen Lücke und den Fortschrittsraten der Industrien ab. Eine Rückverlagerung lässt sich in diesem Konzept so erklären, dass diejenigen Güter die bisher in Entwicklungsländern produziert werden durch einen beschleunigten technischen Fortschritt und einen somit ergebenden Produktivitätsvorsprung bei den Industrie­ländern wieder in den Industrieländern produziert werden (vgl. LÜCKE 1992: 48).

 

[6] Eine ausführliche formale Darstellung des Modells liefert LÜCKE 1992: 30ff.

Sohns, Reinhold (1976): Theorie der internationalen Arbeitsteilung. Stuttgart: Gustav Fischer Verlag.
Siebert, Horst (2000): Außenwirtschaft. 7.Aufl. Stuttgart: Lucius und Lucius.
Ricardo, David (1817): Grundsätze der Volkswirtschaft und Besteuerung. Übersetzt von Ottmar Thiele. Jena: Gustav Fischer.
Dick, Rolf (1981): Die Arbeitsteilung zwischen Industrie und Entwicklungsländer im Maschinenbau. Tübingen: Mohr
Leontief, Wassily (1953): Domestic Production and Foreign Trade: The American Capital Position Reexamined. Proceedings of the American Philosophical Society (1953)97: 68-99.
Lücke, Matthias (1992): Technischer Fortschritt und die Arbeitsteilung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern: eine empirische Analyse. Mohr: Tübingen.
Fröbe, Folker; Heinrich, Jürgen; Kreye, Otto (1977): Die neue Arbeitsteilung: strukturelle Arbeitslosigkeit in den Industrieländern und die Industrialisierung der Entwicklungsländer. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt.
Vernon, Raymond (1966): International Investment and International Trade in the Product Cycle. Quarterly Journal of Economics 80(1966), 190-207.
Piller, Frank T. (1998): Kundenindividuelle Massenproduktion. Die Wettbewerbsstrategie der Zukunft. München; Wien: Hanser.
Krugman, Paul (1985): A Technology Gap Model of International Trade. In: Kar Jungenfelt, Douglas Hayne (Hg.) Structural Adjustment in Developed Open Economies. Proceedings of a Conference of the International Economic Association held at Yxtaholm, Sweden. Houndsmills: Macmillan: 35-61.