Begriff, Formen und Phasen der Rückverlagerung

Bei einer Rückverlagerung handelt es sich um eine Standortentscheidung eines Unternehmens. Dabei setzt sich diese Standortentscheidung aus zwei aufeinanderfolgenden Standortentscheidungen zusammen (vgl. SCHULTE 2002: 97). Hierbei wird zu einem Zeitpunkt entschieden, einen Funktionsbereich an einen ausländischen Standort zu verlagern.

Nach einer Phase der Auslandsproduktion trifft das Unternehmen erneut eine Standortentscheidung. Es verlagert den Funktionsbereich ganz oder teilweise wieder zurück ins Heimatland (vgl. SCHULTE 2002: 97). Die erste Standortentscheidung wird durch die Rückverlagerung sozusagen wieder rückgängig gemacht (vgl. LAY et al. 2001: 182). Es findet wieder wenigstens zeitweise eine Konzentration am heimischen Standort statt (vgl. SCHULTE 2002: 97). Somit lässt sich als Definition für Rückverlagerungen folgende Formulierung heranziehen: Bei einer Rückverlagerung handelt es sich um eine Standortentscheidung eines Unternehmens. Es wird einer oder mehre Funktionsbereiche eines Unternehmens zumindest zeitweise in das Land zurückverlagert, in dem das Unternehmen seinen Firmensitz hat. Der Rückverlagerung eines Funktionsbereichs sind eine Verlagerung dieses Funktionsbereichs ins Ausland und eine Phase der Auslandstätigkeit dieses Funktionsbereiches vorausgegangen.

Im Folgenden werden Produktionsrückverlagerungen als repräsentativ für Rückverlagerungen angesehen. Diese Einschränkung macht u.a. deshalb Sinn, da der Funktionsbereich Fertigung auch den größten Anteil an durchgeführten Rückverlagerungen einnimmt.[1] Eine Rückverlagerung wird aber bei diesem Begriff nicht so eng gefasst, dass ein Produktionsbereich, der aus dem Ausland zurückverlagert wird, wieder in die Produktion des Unternehmens am heimischen Standort eingegliedert werden muss. Ferner können bei einer Rückverlagerung auch die Produktionsbereiche, die aus dem Ausland verlagert werden auch an inländische Zulieferer ausgelagert werden. Dies drückt sich auch darin aus, dass in der Literatur zwischen direkter und indirekter Rückverlagerung unterschieden wird. Bei einer direkten Rückverlagerung wird der Teil, der ausgelagert wurde, wieder in die eigene Produktion eingegliedert. Unter einer indirekten Rückverlagerung wird der verlagerte Teil teilweise oder ganz am heimischen Standort konzentriert, wie es zum Beispiel bei einer Auslagerung auf heimische Zulieferer der Fall ist. Jungnickel fasst den Begriff der Rückverlagerung noch weiter. Für ihn ist eine Rückverlagerung jede Substituierung von Importen durch die Produktion in Deutschland (vgl. JUNGNICKEL 1990: 25).

So weit soll der Rückverlagerungsbegriff in dieser Arbeit aber nicht gefasst werden. Es gibt verschiedene Formen von Rückverlagerungen. Dabei lassen sich Rückverlagerungen vor allem anhand zwei Kriterien unterschieden. Zum einen anhand der Funktionsbereiche, die rückverlagert werden, zum anderen anhand des Rückverlagerungsumfangs. Eine Rückverlagerung kann alle, früher einmal ins Ausland verlagerte Funktionsbereiche, betreffen. Zu nennen wären hier z.B. die Produktion, die Forschung und Entwicklung und die Administration. Wie bereits oben erwähnt, werden im Folgenden Produktionsrückverlagerungen als repräsentativ angesehen. Nach dem Umfang lässt sich eine Teil- bzw. Komplettrückverlagerung unterscheiden. Wobei bei der Teilverlagerung nur eine Modifikation der damaligen Verlagerungsentscheidung betrieben wird, aber am ausländischen Standort weiterhin festgehalten wird (vgl. SCHULTE 2002: 101f.). Während in den traditionellen Standorttheorien einperiodige Verlagerungsentscheidungen betrachtet werden, muss bei einer Betrachtung von Rückverlagerungen die Standortentscheidung des Unternehmens über einen gewissen Zeitraum beobachtet und untersucht werden. Hierbei lässt sich dieser Zeitraum in drei Phasen der Rückverlagerung unterteilen. Diese Phasen sind die Verlagerungsphase ins Ausland, die Phase der Auslandsproduktion und die Rückverlagerungsphase. Durch die Einteilung in Phasen lässt sich das Phänomen Rückverlagerung einfacher untersuchen (vgl. SCHULTE 2002: 97f.). Um die Gründe für die Rückverlagerung deutscher Unternehmen aus dem Ausland untersuchen zu können, ist es nötig, jede einzelne Phase zu untersuchen und aus der Untersuchung Rückschlüsse auf die erfolgte Rückverlagerungsentscheidung eines Unternehmens zu ziehen. In der Verlagerungsphase wird die erste Standortentscheidung getroffen. Betroffen können hier sämtliche Funktionsbereiche einer Unternehmung sein (vgl. SCHULTE 2002: 98f.).[2] Oftmals werden hierbei Verlagerungen in Niedriglohnländer vorgenommen. Auf die Verlagerungsphase folgt die Phase der Auslandsproduktion.

Die Auslandsproduktionsphase endet damit, dass die in der ersten Phase getroffene Verlagerungsentscheidung noch einmal überdacht wird und anschließend revidiert bzw. modifiziert wird. Die dritte und letzte Phase stellt die Rückverlagerungsphase dar. In dieser Phase wird eine neue internationale Standortentscheidung zugunsten des heimischen Standortes getroffen. Kapazitäten werden in dieser Phase wieder an den heimischen Standort verlagert (Vgl. SCHULTE 2002: 101f.).

[1] Aus einer Studie der Transfer Centrum GmbH& Co. KG für Produktions-Logistik und Technologiemanagement geht hervor, dass in den Jahren 2000-2004 folgende Funktionsbereiche zu folgenden Anteilen rückverlagert wurden: Produktion: 62,5 % (Montage: 25 %, Fertigung: 32,5 %), Administration: 12,5 %, Forschung und Entwicklung: 12,5 % und Sonstiges: 12,5 %. Befragt wurden hierbei vor allem Unternehmen aus der Automobilindustrie, Blech- und Metallverarbeitung, Kunst und Naturstoffbearbeitung, Chemieindustrie, dem Anlagen- und Maschinenbau, der Elektroindustrie, dem Dienstleistung und Handel und der Luftfahrt- und Flugzeugindustrie (vgl. TCW 2004: 16).

[2] In der Untersuchung der Transfer Centrum sind dies in den Jahren 2000-2004: Produktion: 63 %
(Montage: 24 %, Fertigung: 39 %), Service: 11 %, Einkauf: 9 %, Forschung und Entwicklung: 7 %,
Vertrieb: 5 %, Administration: 4 % und Sonstige: 1 %.

Schulte, Anja (2002): Das Phänomen der Rückverlagerung. Internationale Standortentscheidungen kleiner und mittlerer Unternehmen. Wiesbaden: Gabler.
Lay, Gunter; Kinkel, Steffen; Eggers, Thorsten; Schulte, Anja; Le, Peter (2001): Leitfaden Globalisierung erfolgreich meistern. Frankfurt: VDMA-Verlag.
Jungnickel, Rolf (1990): Technologien und Produktionsverlagerungen. Hamburg: Verlag Weltarchiv.